*Geschichten einer Auslaenderin*
Dienstag, 26. Juni 2007
Aller Anfang ist schwer
Die lange Reise nach Russland began nachts am 21. Juni. Um 6:30 sind wir schon abgeflogen und ungefaehr nach drei Stunden waren wir im Moskauer Flughafen Vnukovo. Ich muss erwaehnen, dass es zwischen “europaeische” und “moskauerische” ( = “von Moskau”) Zeit zwei Stunden Unterschied gibt. Wenn es in Koeln z. B. 3 Uhr ist, ist es in Moskau 5 Uhr. Weitere Zeitangaben, die hier auftauchen, werden in “Moskauzeit” angegeben.

Am Vnukovo wurden wir von unseren Verwandten abgeholt und nach meiner Heimatstadt Dubna mit dem Auto gefahren. Die Autobahn war im Gegenteil zu meinen Erwartungen nicht schlechter als in Deutshland, die Autofahrer achteten aber nicht besonders auf die Regel. Die Geschwindigkeit war in Grossen und Ganzen niedrier als auf die deutschen Autobahnen.
Mein Gott, was fuer eine Landschaft! Was fuer Natur! Die lieben Birken mit hellen Blaettern und duennen Aesten, sie stehen nicht sehr nah zu einander und man kann die weiter entfernten Baeume sehen und Wasser und Himmel… Ich habe diese einfache Ansicht so vermisst! Auf ein mal fuehlte ich, dass ich mich wieder zu Hause befinde, dass ich hier richtig bin. Ich haette vor Glueck weinen koennen…
Aber Schluss mit Emotionen, ich gebe Ihnen lieber kurze Auskunft ueber Dubna (ich werde hier den Grossteil der Zeit verbringen, es ist also wichtig).

Dubna gilt als die noerdlichste Stadt der Moskauer Region und ist ungefaehr 120 km von der russischen Hauptstadt entfernt. Dubna wurde von ca. 50 Jahren als eine “Physikstadt” und “Stadt der Wissenschaft” (der offizielle Status) gegruendet, weil da ein weltberuehmtes Forschungszentrum fuer Kernphysik gebaut wurde. Frueher waren fast alle Bewohner die Mitarbeiter des Zentrums, das waren also “die Intelligenten”, und zwar im alten russischen Sinne: Menschen mit gutter Ausbildung und entsprechender beruflicher Beschaeftigung, die nicht unbedigt reich waren, aber auf jeden Fall moralische Prinzipien und nicht nur materielle Beduerfnisse hatten. Die Stadt war und ist klein (heutzutage zaehlt man da ca. 70 000 Bewohner), intelligent, still, sauber…
Sie befindet sich auf den beiden Ufern des Flusses Wolga, der da ein bisschen enger als Rhein bei Koeln ist, in der Naehe gibt es auch verschiedene Waelder. Andere Fluesse wie Sestra, Dubna-Fluss und Moskau-Fluss sind von der Stadt etwas entfernt. Es gibt auch einen kuenstlichen Kanal, der die Fluesse Moskau und Wolga verbindet. Er wurde in der Zeit der Repressionen Stalins von der Zwangsarbeitern gebaut – ich glaube, viele davon waren die Intelligenten und viele sind bei schweren physischen Arbeiten ums Leben gekommen. Jetzt sieht der Kanal ganz friedlich aus, aber ich muss immer wieder an seine Geschichte denken…
Wie Sie es schon bestimmt erraten haben, ist die Stadt vom Wasser umgegangen. Es ist da also nass im Vergleich zum anderen Staedten in der Naehe (aber trocken im Vergleich zum Westeuropa), frueher gab es auch sehr viele Sumpfe in der Gegend. Der Grund ist fuer Fruchtbarkeit oder schnellen Wachstum der Pflanzen eher unpassend, nur Unkraut fuehlt sich ueberall wohl.

Um 5 Uhr waren wir schon in unserer lieben alten Wohnung auf der neunten und letzten Etage des Hochhauses. In einer Reihe stehen da drei sehr langen und aehnlichen Hochhaeuser, die in ihrer Form der Ziffer 7 entsprechen. Im Volksmunde nennt man sie “erste Sieben”, “zweite Sieben” und “dritte Sieben”. Unser Haus ist “dritte Sieben”. Vor der ersten Sieben befindet sich die Schule #6 (in 5-Minuten-Entfernung), die ich bis zum Umzug nach Deutschland besucht habe. Sie gilt als die beste Schule der Stadt und eine der besten im Moskauer Region – das ist auch wahr. ;)
Die Wohnung wirkte in erste Linie als verlassen und schmutzig – drei Jahre besuchte sie meine Schwester ab und zu, aber keiner lebte da… Nichts zum Putzen, nichts zum Essen, nichts zum Schlafen… In den naechsten drei Tagen hatten wir enorme Arbeit geleistet – naehmlich einkaufen, wechseln, putzen. Die Preise in Dubna sind ungefaehr so gross wie in Deutschland, im Gegenteil zu den Loehnen der Einheimischen. Dies ist vor allem durch die Naehe der Haupstadt verursacht, denn Russland war und ist viel mehr “zentralisiert” als Deutschland (ich glaube, es laesst sich mit Frankreich vergleichen). Moskau ist eine verdammt teuere Stadt, besonders was die “Wohnungsfrage” angeht. Der Begriff “Wohnungsfrage” wurde zum ersten Mal vom russischen Schriftsteller M. Bulgakov noch bei Stalin verwendet und ist heutzutage auch sehr beliebt. Ein Quadratmeter der Wohnungsflaeche relativ weit vom Zentrum kostet da im Moment ca. 4 Tausend US-Dollar, was natuerlich unglaublich viel ist. Die Preise steigen staendig seit “Perestrojka”, also seit 15 Jahren. Man kann schon verstehen, dass die Wohnungsfrage problematisch ist.

Die Schwester war bei uns mit ihrem Freund am Wochende. Ganz nett. Man konnte sie fast nicht wiedererkennen, weil sie uns kein hysterisches Verhalten demonstrierte, was eigentlich zu ihren Lieblingsnummern gehoert. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie eine Art Verantwortung empfand, weil sie naehmlich als Herrin da war und wir – als ihre Gaeste. Jetzt sind sie wieder in Moskau, wo sie arbeiten und leben. Es ist hier also ein bisschen ruhiger geworden.

Gleich am ersten Tag habe ich die M., meine alte Freundin, angerufen. Wir hatten den Jontakt immer behalten. Als ich ihre Stimme hoerte, wusste ich sofort, dass es sie war. Ach die M., die alte gute M., du warst manchmal egoistisch, manchmal hysterisch, manchmal langweilig – aber du bist eben du geblieben, und das ist doch das Wichtigste, denn ich liebe dich mit allen deinen Eigenschaften. Die T. war die naechste, die ich anrief, und die war nicht zu Hause. Als sie mich zurueckrief, wusste ich aber auch gleich, dass es sie war. Mein Gott, ist sie dieselbe geblieben – die ironische, hilfsbereite, kluege und die Internet-nicht-gerne-aufsuchende T.! Du hast mich nicht besonders oft geschrieben, aber du hast einen Platz in dienem Herzen fuer mich reserviert, und das ist zumindest genauso schoen… Am zweiten Tag verbrachte ich eine Stunde mit M. und gleich danach eine Stunde mit T. – ich habe mich so gefuehlt, als ob es keine drei Jahre her vom unseren letzten Treffen waeren. Ich wusste gleich: Das ist ja mein Kreis. Mein. Kreis. Den ich am liebsten gar nicht verlassen moechte und wuerde – aber das Leben hat etwas anderes vor.

Keine Zeit mehr!.. :( Aber ich werde spaeter ueber alles genauer berichten, keine Sorge!.. Wie fanden Sie eigentlcih diesen Teil des Reiseberichts?

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Letzte Aktualisierung: 2008.10.10, 12:35
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