*Geschichten einer Auslaenderin*
Freitag, 15. Dezember 2006
Sind die Deutschen auslaenderfeindlich?
Ungefaehr so heisst unsere neue Unterrichtseinheit. Ich weiss zwar nicht, ob es die Deutschen interessiert, aber ich werde hier einige Gadanken zum Thema sammeln - vielleicht werde ich es ja im Unterricht brauchen.
Ich sage es ohne Scheu: Ich bin eine Auslaenderin. Ich werde eine Auslaenderin bleiben. Jedoch bedeutet es nicht, dass ich etwas gegen Deutschland, ihre Einwohner und deren Rechte habe. Ich finde das Land schoen und interessant und die Menschen - nett und freundlich. Ich persoenlich habe noch nicht erlebt, dass die Deutschen etwas gegen mich hatten nur weil ich aus einem anderen Land stamme. Klar, als ich kein Deutsch konnte wurde ich schief angesehen. Das ist aber selbstverstaendlich und ich nehme es nicht uebel. Wer von den Deutschen selbst koennte sagen, er/sie haette so was im eigenen Land nicht erlebt?..
Ach ja, ein Beispiel aus meinem Leben. Heute kam zu mir ein deutscher Junge aus der Paralellklasse, den ich kaum kenne, und hat mich ganz spontan - und freundlich! - angeredet. Zuerst fragte er etwas nach Unterrichtsmaterial usw, danach stellte interessiert eine andere Frage, naemlich: "Wo kommst du urspruenglich her?" Als ich antwortete, stellte er eine Menge anderen Fragen nach meine Deutschkenntnisse uns. Alles klingte sehr aufrichtig und offen, dabei war mein Gespraechspartner tatkraeftig und ich blieb relativ passiv. Was ich mit ganzer Geschichte ausdruecken will, ist, dass es auch eine interessierte und freundliche Haltung gegenueber Auslaender gibt, nicht nur "Geh-Weg-Von-Hier"-Strategie.
Wenn ich mich fremd und nichtdazugehoerig fuehle - passiert oft - liegt es immer an mir. Kein anderer Mensch is dafuer verantwortlich bzw. schuld daran.
Trotzdem kann ich die Deutschen verstehen, die davon nicht begeistert sind, dass so viele Auslaender in Deutschland leben. Sie haben doch Recht, in eigenem Land ruhig zu leben und keine Angst zu haben, dass die Pariser Protestaktionen in Berlin, Hamburg, Aachen, Dresden wiederholt werden. Ausserdem ist Patriotismus eigentlich ein normales und natuerliches Gefuehl, das man nicht verbieten kann.
Das ist meine Meinung. Was halten Sie denn davon?

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als ausländerfeindlich würde ich die haltung der deutschen natürlich nicht bezeichnen. es ist vielleicht eine art vorsicht gegenüber dem, was fremd ist. das ist ganz normal, denke ich.
es sind meiner ansicht nach diese mentalitätsfragen. deutsche sind eher still, ein bisschen vorsichtig, lieber gucken sie weg und sagen nichts. das kann angenehm sein, aber auch unfreundlich wirken. in vielen anderen kulturen geht es lauter zu, herzlicher, temperamentvoller, sie haben viel mehr kinder. oft empfinde ich diesen umgang als offener, großzügiger und warmherziger und denke mir, da können wir uns mal was von abgucken. auch wie manche völker feiern, so frei und von herzen. dann aber gibt es wieder momente, in denen ich mir denke, hey, ich will meine ruhe, geht das nicht auch ein bisschen ruhiger und angepasster? gerade was die kinder betrifft.
es sind also diese kleinen, allltäglichen dinge, in denen sich deutsche und einwanderer oft sehr unterscheiden. viele deutsche glauben ja, dass ausländer in deutschland alle kriminell werden oder generell brutaler und gewalttätiger sind als deutsche. das ist blödsinn, mensch bleibt mensch, man muss nur jedem einem chance geben.
ich fände es prima, wenn ausländer, die in deutschland bleiben und arbeiten, irgendwann deutsch lernen. das würde viele barrieren zwischen deutschen und immigranten beseitigen, weil die kommunikation sehr viel leichter wäre. ich zum beispiel werde lehrerin und man legt mir nahe, türkisch oder russisch zu lernen, um meine schüler aus den immigrantenfamilien besser zu verstehen. das würde ich tun, um ihnen anfangs entgegenzukommen, aber "integration" bedeutet etwas anderes.
aber ihr deutsch ist vorzüglich, keine sorge. wenn sie möchten, erzählen sie doch einmal, woher sie kommen.

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Verzeih mir die profane Frage, aber woher kommst du denn jetzt ursprünglich? Hier geboren oder nur aufgewachsen? Wie fühlst du dich? Ist die nationale Identität wirklich wichtig?
Ich bitte um Aufklärung. Danke.

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Weder noch. :) Das ist mein drittes Jahr in Deutschland und ich weiss nicht, wie viel Zeit ich hier noch bleiben werde. Woher ich urspruenglich komme, moechte ich im Moment nicht sagen. Natuerlich schaeme ich mich nicht, ich will einfach die ganze Geschichte mit solchen Fragen nicht wieder anfangen. Es reicht mir im reelen Leben. Und fuer Sie sollte es eigentlich egal sein, ob ich aus Amerika oder aus Afrika stamme. ;)
Ja, die nationale Identitaet ist fuer mich wichtig. Meine Heimat liegt mir am Herzen. Ich mag ihre Kultur und ihre Sprache, und ich bin stolz d’rauf, dass ich aus diesem Land stamme. Da gibt es u. a. ein Sprichwort: „Wenn man ein Gast ist, ist es gut. Zu Hause ist aber imerr besser“. Damit bin ich einverstanden.

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Deine Ansicht kann ich nicht so teilen, weil ich das große Glück habe, ein Mischling zu sein. M.E.kann der Mensch sich überall heimisch fühlen. Wenn es möglich ist, möchte ich überall einmal gelebt haben(ich heirate einen schwerreichen Mann, dann ist das möglich;)). Mir ist die nationale Identität nicht wichtig. Ich bin deutsch, fühle mich aber oft irisch, bin von Grund auf finnisch und vom Temperament her manchmal südländisch. Ich interessiere mich für Asien und den Buddhismus, lese gerne Rumi und mag die arabische/islamische Kalligraphie. An Amerika mag ich die alten Filme. Das waren noch Zeiten. Die Lsite könnte noch länger sein, würde jedoch den Rahmen sprengen. In Anbetracht dieser Fakten verschwimmen die Grenzen. Die nationale Identität enttarnt sich als Konstrukt.

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Was, Frau Massuma,
aber leider nichts daran ändert, dass viele (sowohl hierzulande als auch anderswo) sich immer noch sehr stark mit diesem Konstrukt identifizieren. Wogegen prinzipiell auch nichts einzuwenden ist, solange es nicht in Vorurteile und Ausgrenzung mündet.

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Ja, an sich ist es nicht schlimm, sich dazu zu bekennen. Es erklärt partiell den Habitus. Allerdings transportiert man auch automatisch einige Vorurteile, die nur bedingt zutreffen. Wenn es zur Generalisierung und zum Aufbau von Klischees zwecks einer soliden nationalen Identität kommt, dann ist m.E. Holland in Not.

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Ich kann nicht sagen,
dass ich davon völlig frei wäre, die Angehörigen unserer Nachbarvölker immer völlig klischee- und vorurteilsfrei wahrzunehmen.

Ich denke, das ist auch so lange in Ordnung, wie man

- sich dessen bewusst ist, und diese Klischees nicht zu sehr für Realität nimmt

- und jedem einzelnen Exemplar der jeweiligen Gattung auch den Freiraum zugesteht, ganz anders zu sein als man es vielleicht erwarten würde.

So geht es für mich zusammen, dass ich beispielsweise "die Ösis" irgendwie nicht so richtig mag, aber im großen und ganzen nur wundervolle Einzel-Exemplare von dort kennengelernt habe. Solange das eine dem anderen nicht im Wege steht, finde ich das auch weiterhin in Ordnung. Klischees helfen ja schließlich auch, die Komplexität der Welt ein bisschen zu reduzieren auf ein erträglicheres Maß.

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Massuma,
Du hast jedoch nur die Produkte verschiedener Kultur aufgezaehlt. Das ist meiner Meinung nach etwas anderes als die Kultur eines Landes/eines Volkes insgesamt - Sprache, Geschichte, Kunst...
Mark793, Klischees sind wirklich nicht so schlimm. Ihrer groesste Nachteil ist, dass sie sich oft veralten und nicht mehr stimmen.

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Heimat, Patriotismus, das sind große Worte. Sie sind gut gegen Unsicherheit, man weiß, wo man hingehört, hat eine Gruppe, mit der man sich identifizieren kann. Man grenzt sich ein. Man grenzt andere aus. Wo zieht man diese Grenze? Das ist sehr individuell. Ausländer sind nicht gleich Ausländer. Ich beobachte oft, dass die Ausgrenzung stärker wird, je fremder der andere wirkt.
Ich bin in einem sehr internationalen Kontext groß geworden und möchte daher behaupten, dass meine Grenzen recht weit gesteckt sind. Aber es gibt auch Kulturen, die mir fremd sind. Zwar möchte ich mich diesen gegenüber nicht feindlich zeigen sondern eher interessiert, stelle aber doch manchmal fest: "das ist nicht meins".

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"Man grenzt sich ein. Man grenzt andere aus" - ist genau richtig. Ich glaube, alle Menschen streben danach - wenn auch unbewusst - eine Gruppe zu haben. Ob es ein Volk, eine Familie oder z. B. eine Armee waere, ist unwichtig. Jedoch denke ich nicht, dass es schlecht ist - nur "natuerlich".
Novemberregen, haben Sie schon im fremden Land gelebt? Wenn nicht, finde ich sinnlos, ueber die Liebe zur Heimat zu reden. Man kann es verstehen, wenn man es mal erlebt hat...

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Im fremden Land gelebt ja, zwei Mal, jeweils lang genug um mich fremd zu fühlen (im Gegensatz zu "als Urlauber"), aber nicht lang genug um heimisch zu werden. Lang genug um meine Heimatsprache zu vermissen, mich "sprachlos" zu fühlen obwohl ich die Sprache der Gastländer spreche und festzustellen, wie sehr die Heimat mich geprägt hat, ob ich es will oder nicht ;-)

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Ich glaube, es liegt in der Natur der Menschen allgemein (und in der, der Deutschen insgeheim) alles Fremde und Unverstandene als unangenehm und gefährlich zu betrachten.
Dass einige Deutsche die Kultur der hier lebenden Ausländer ebenso betrachten, kann gut daran liegen, dass man diese Kultur und die damit verbundenen moralischen Vorstellungen nicht verstehen und nachvollziehen kann.

Meiner Meinung nach ist die Frage nach Integration immer aus beider Sichten zu verstehen. Aus "deutscher Sicht" und auch aus Sicht der Ausländer. Deutsche sollten offener auf die fremden Kulturen eingehen und auch gewillt sein, etwas über und auch durch sie zu lernen. Dagegen sollten aber auch Ausländer, die in Deutschland leben und arbeiten wollen, gewillt sein, sich auf die deutsche Kultur einzulassen. Dass man die Sprache des Landes, in dem man leben und arbeiten will, beherrscht, sollte der erste Schritt dazu sein, wenn man mich fragt.
Ich persönlich würde mir das Leben in einem anderen Land wahrscheinlich als sehr viel einfacher und unkomplizierter vorstellen können, wäre ich der Sprache mächtig und mit den Gegebenheiten der Kultur vertraut.

Ich kenne einige Menschen, die ausländische Wurzeln haben und die zum Teil "deutscher" sind, als viele Deutsche. Sie haben sich integriert und eine vernünftige Lösung gefunden, ihre Kultur zu leben und ihre Überzeugungen nach außen hin zu vertreten, ohne dass sie einem fremd oder bedrohlich erscheinen müssten. Wenn die Deutschen jetzt noch lernen, tolerant und offen auf die Menschen zuzugehen, sollte ein großteils vorurteilsfreies Zusammenleben möglich sein.

Wenn sich allerdings Ausländer einigeln und in einem kleinen Kreis - vollkommen abgeschottet von der deutschen Gesellschaft - keinen Gedanken an ein solches Zusammenleben verschwenden, kann auch ein freundlicher, offener Umgang nichts bewirken.

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