*Geschichten einer Auslaenderin*
Donnerstag, 15. Februar 2007
"Estland will russische Kriegsdenkmäler demontieren."
"Moskau. Das estnische Parlament hat für ein Gesetz gestimmt, dass die Demontage sowjetischer Weltkriegsdenkmäler vorschreibt. Bereits seit Monaten tobt ein Streit, insbesondere um ein Monument im Zentrum von Tallinn." http://www.aktuell.ru/russland/politik/estland_will_russische_kriegsdenkmaeler_demontieren_3231.html



Ich weiss, es sei nur Politik. Und Politik ist nur ein Spiel. Aber es gibt Dinge, die zum Spielen nicht passen, Dinge, mit deren man es nicht machen darf.
Wenn man den Namen "homo sapiens" tragen will.

Der Denkmal ist doch nicht schuld, dass einige der estnischen Politiker mit der Geschichte unzufrieden sind. Und die nicht begreifen, dass die Demontage im diesen von ihnen gehassten Teil der Geschichten nichts aendert.

Zum Erschiessen.

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So ganz
kann ich Ihr Problem nicht nachvollziehen. Wäre es Ihnen lieber, wenn man die Bronze-Iwans (entschuldigen Sie den respektlosen Ausdruck) ohne gesetzliche Grundlage verschrottet?

Wir pflegen hier in Deutschland ja auch keine Denkmäler für Napoleons Truppen, um nur mal ein Beispiel zu nennen. Trotzdem weiß jeder halbwegs geschichtlich gebildete Mensch, dass das Heilige römische Reich deutscher Nation 1806 endete.

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Es waere mir lieber, wenn die Verrueckten aus estnischem Parlament (oder wie man es in Estland nennt) ins Krankenhaus kommen wuerden. :) Nee, jetzt ernst: Es waere mir lieber, wenn das Denkmal ruhig auf seinem Platz bleibt. Der Vergleich mit Napi in Deutschland finde ich unpassend. (Ich habe uebrigens ein anderes Beispiel - das beruehmte sowjetische Denkmal in Berlin). Klar, es waren nicht leichte Tagen – schon fuer die ganze Welt nicht. Zum Teil war auch die Sowjetunion an Estlands Problemen schuld. Doch ich glaube, dass die Mehrheit der estnischen Soldaten nicht in SA waren, sondern in Roter Armee. Hat die estnische Regierung mit ihrer Entscheidung diese Veteranen etwa nicht beleidigt?.. Unmenschlich.

Ich erinnere mich daran, dass es nicht der erste Versuch der baltischen Laender ist, ihre Nazi statt sowjetischen Krieger zu rehabilitieren. Und die EU merkt natuerlich nichts.

Und ausserdem: Es gibt keine Sowjetunion mehr. Es gibt Russland und Ex-Sowjetrepubliken, wie z. B. Estland. Sie schreien ueberall, sie waeren unabhaengig. Aber ich denke, dass wirklich unabhaengige Staaten ihre Politik anders gestalten, also nicht um die „alten Feinde“ mit solchen Massnahmen zu provozieren.

Ich haette ihre Regierung vielleicht verstanden, wenn das Denkmal z. B. Lenin darstellte – also einen haesslichen und nicht besonders jungen Mann. :) Aber da ich den Krieger aestetisch finde... (Ich hab’ leider kein besseres Bild gefunden...)

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Ich muss vorweg gestehen,
dass ich mit der Tagespolitik im Ex-sowjetischen Baltikum nicht vertraut bin (das fängt schon damit an, dass ich ständig Litauen und Lettland verwechsle).

Dass Estland mal eine Sowjetrepublik war - was erklärt das schon? Deswegen hat man die Russen und das rote Regime in Moskau dort trotzdem als Fremdherrschaft empfunden, und insofern habe ich ein gewisses Verständnis dafür, dass man so ein Symbol der Fremdherrschaft nicht jeden Tag in seiner Hauptstadt sehen will.

Auch wenn ich weiß, dass Vergleiche meistens hinken: Die Niederlande und die Schweiz gehörten auch mal zum deutschen Reich. Dass in Den Haag und Bern keine Denkmäler für den deutschen Kaiser oder seine Ritter und Landsknechte mehr stehen, muss ich als Deutscher das als Provokation empfinden? Ich denke, nein.

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"Deswegen hat man die Russen und das rote Regime in Moskau dort trotzdem als Fremdherrschaft empfunden."

Nicht alle haben es so empfunden. Nicht alle waeren im Zweiten Weltkrieg lieber mit Nazis als mit Rotarmisten.
Ausserdem bin ich nicht damit einverstanden, dass dieses Denkmal Symbol der sowjetischen Macht ist. Meiner Meinung nach ist es eher ein Andenken an die Heldentaten der sowjetischen Soldaten. Achten Sie bitte darauf, dass ich "sowjetisch" schreibe und nicht "russisch". Es macht den Unterschied, weil es in Sowjetunion sehr viele verschiedene Voelker und Nationalitaeten gab. Und es ist doch nicht zu bezweifeln, dass ohne Sowjetunion die Ergebnissen des Krieges anders waeren. Und nicht unbedingt besser fuer Europa und Baltik.

Und noch ein bisschen zum Thema "Politik der baltischen Laender": Die baltischen Politiker moegen es sehr, die russischsprachige Bevoelkerung zu diskriminieren. Egal, ob diese Menschen estniche-und-was-weiss-ich-welche-noch Sprachen beherrschen, wie lange sie in ihrem Land leben, welche Buergerschaft sie haben usw. Unverschaemt... Also wenn Sie moechten, kann ich ein paar konkrete Beispiele herausfinden.

Aktuell: Das Denkmal bleibt auf seinem Platz stehen.

Auf jedem Fall braucht das Land, das selbststaendig und erfolgreich ist, solche Theaterstuecke in Weltarena nicht su spielen.

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Viele Russen scheinen nicht damit klarzukommen, dass Estland (und die anderen Balten) jetzt souveräne Staaten sind und selbst entscheiden können, was sie wollen.

Sicherlich wäre es unter kulturellen Gesichtspunkten bedauerlich, wenn (russische) Kunstwerke und Architektur zerstört würden - aber bei geradezu inflationär gesetzten Kriegsdenkmälern erscheint mir das doch mehr als übertrieben. (Mal ganz davon abgesehen, dass sich die Rote Armee ja immer gern als ehrenhafte Soldaten, denn als gewöhnliche Killermaschinen verstanden hat. Wenn sie ehrenhaft (gewesen) wäre, würde sie nicht widerwärtige Vergewaltigungs- und Mordorgien in Tschetchenien begehen.)

Ich denke, neben fehlgeleiteter Sentimentalität ist es wohl eher das unangenehme Gefühl, nicht mehr die beherrschende Kraft dort zu spielen und/oder privilegiert zu sein. Dabei haben die dort gebliebenen Russen es nicht nur besser als in Russland, sondern haben auch einen besseren Status als gewöhnliche "Gastarbeiter" oder gar Ausländer bei uns.

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Nun,
ich nehme mal den Einwand der Hausherrin vorweg, dass in Tschetschenien nicht die rote Armee kämpft.

Aber ob sich die geo- und regionalpolitischen strategischen Interessen Russlands groß von denen der SU unterscheiden, darf bezweifelt werden. Und war die SU etwa nicht russisch dominiert (so wie auch die Föderale Republik Jugoslawien von Serben)?

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Herr mark793,
gut geraten! :) In Tschetschenien kaempft russische Armee. Die sowjetische war z. B. in Afganistan.
Das ist aber voellig andere Geschichte. Krieg in Tschetschenien war praktisch ein Buergerkrieg, d. h. die Bevoelkerung war in mehreren Lagern gespaltet... (Und es ist doch nicht zu bezweifeln, dass es da viele Terroristen gab, die von der Bevoelkerung unterstuetzt wurden - ich glaube, das ist typisch und eben problematisch fuer die Kriege im Osten.) Jetzt stabilisiert sich so langsam die Situation. (Aber natuerlich ist jeder Krieg eine Tragoedie fuer alle Laender, die daran teilnehmen - das moechte ich nicht in Frage stellen.)

Waehrend des Zweiten Weltkrieges waren meiner Meinung nach die SU-Republiken um eine Idee vereinbart, naehmlich den Krieg zu gewinnen/"Frizen" (ja, das ist meine Antwort auf Ihre "Bronze-Iwans", Herr Mark) zu besiegen.

"...dass sich die Rote Armee ja immer gern als ehrenhafte Soldaten, denn als gewöhnliche Killermaschinen verstanden hat" - Gibt es denn Armee, die sich anders verhaelt? Ich habe es noch nicht erlebt. :)

"Viele Russen scheinen nicht damit klarzukommen, dass Estland (und die anderen Balten) jetzt souveräne Staaten sind und selbst entscheiden können, was sie wollen." - Also mir persoenlich ist es ganz egal, was sie machen, wenn es nur nicht solche gemeine Dinge geht. Es gab relativ viele Menschen in Estland, die gegen Demontage waren und es fuer eine Beleidigung hielten. D. h. dass es nicht Estland macht, was sie will, sondern die estnische Regierung.
Ich wuerde sagen: estnische Politiker kommen damit nicht klar, dass Estland einmal die SU-Republik war.

Herr mark793, ja, Russland/Moskau war Zentrum. Dabei vergissen Menschen im Westen gern, dass Russland auch sehr viel fuer die andere Republiken gemacht hat - davon profitierten beide Seiten. Und dass z. B. Stalin kein Russe war, sondern aus Georgien kam...

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"viel für andere Republiken gemacht"
- ja, im Guten wie im Schlechten. Im Zuge der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft wurde die Ukraine beispielsweise systematisch ausgehungert in den 20er und 30er Jahren. Mein Vater könnte Ihnen erzählen, wie es kam, dass die vorrückende Wehrmacht zunächst mal von vielen als Befreier vom sowjetischen Joch begrüßt wurde. Das entschuldigt natürlich nicht, dass auch viele Ukrainer in der Waffen SS gekämpft und als KZ-Aufseher gearbeitet haben, aber das ist zumindest eine Erklärung.

Das Bild ist halt nie ganz schwarz oder weiß wenn man mal näher hinguckt. Und ich denke, ähnlich (oder eben anders) zwiespältig sieht es in jeder früheren Teilrepublik aus. Von daher kann ich fast (aber auch nur fast) verstehen, warum um ein totes Bronzestandbild so ein Aufstand gemacht wird. Und zwar sowohl von denen, die es weghaben wollen als auch von denen, die für den Erhalt kämpfen. Also ob die Welt und die Region keine anderen Sorgen hätten.

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Ja, ich gebe doch zu, dass das Leben - besonders in der Fruehzeit - schwer war. Vom Schlechtes kann ich sagen, dass darunter auch sehr viele Russen gelitten haben. Vom Gute: Die Ukraine/Georgien/viele andere Republiken leben jetzt noch schlechter als in der SU... Das bedeutet auch mal was...

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Vor allem bedeutet das eins:
Dass ziemlich viele von diesen Ländern von unfähigen und korrupten Halbdiktatoren regiert werden.

Vielen früheren britischen (und französischen) Kolonien ging es nach der Unabhängigkeit ja auch erst mal schlechter. Was nicht unbedingt heißt, dass es besser gewesen wäre, die Kolonialherren wären am Ruder geblieben.

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Schon wieder ein unpassender Vergleich: Die Menschen aus der SU-Republiken waren nach der Fruehzeit nicht so stark diskriminiert, wie die „Afroamerikaner“ (also nicht unbudingt „-amerikaner“, aber auf jeden Fall „Afro-“) in Kolonien. Ich persoenlich habe nichts dagegen, wenn die Republiken selbststaendig und unabhaengig leben – und die Mehrheit der Russen, die ich kenne, auch nicht. Aber bitte ohne unseren billigen Gas und ohne Provokationen... :)

Was ich an strittigen Fragen gar nicht schoen finde: Jeder behaelt eigene Meinung.

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Das ist doch in Ordnung.
Ich erwarte ja nicht von Ihnen, dass Sie angesichts meiner Argumente zusammenbrechen und sagen: "Danke Herr Mark, Sie haben mir die Augen geöffnet". Ebenso kann ich mich immer noch nicht zu Ihrer Sichtweise durchringen, die Sowjetherrschaft wäre für die meisten Teilrepubliken (inklusive Estland) so ein großer Segen gewesen.

Wir sehen das nun mal unterschiedlich, und damit habe ich kein Problem. Ich versuche aber zu verstehen, was Ihr Problem ist. Wenn sagen wir mal die polnische Regierung (wie im Moment) ein Problem mit der deutschen Regierung hat oder der Meinung ist, die Deutschen müssten aufgrund ihrer Vergangenheit dieses oder jenes tun oder lassen, dann muss ich mich persönlich davon nicht provoziert fühlen. Das ist zunächst mal das Problem der polnischen Regierung und nicht meins. Um das zu regeln haben wir ein Parlament, eine Regierung und Diplomaten und EU-Bürokraten. Die werden das schon schaukeln, da brauche ich mit der polnischen Regierung oder gar dem polnischen Volk kein Problem zu haben - selbst wenn ich weiß, dass die uns vielleicht nicht sonderlich mögen. Von daher verstehe ich nicht, warum Sie wegen eines Kriegerdenkmals in einer fernen Stadt, die Sie vielleicht nie gesehen haben, so einen persönlichen Aufstand machen. Zu Provokationen gehören doch immer zwei: Einer der provoziert und einer, der sich provozieren lässt.

Als Russe (und somit als Angehöriger einer so großen Nation) würde ich wegen dieser estnischen Geschichten wahrscheinlich sagen, was juckt es die Eiche, wenn sich die Sau an ihr reibt. ;-)

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"Ich erwarte ja nicht von Ihnen, dass Sie angesichts meiner Argumente zusammenbrechen und sagen: "Danke Herr Mark, Sie haben mir die Augen geöffnet" - Ja, das ist schon mal gut. :) Das hoert man sowieso fast nie waehrend eine Diskussion. Die Meisten nimmen daran dann teil, wenn sie feste Ueberzeugungen haben und ihre Meinung vertreten - nicht wechseln - moechten.

"warum Sie wegen eines Kriegerdenkmals in einer fernen Stadt, die Sie vielleicht nie gesehen haben, so einen persönlichen Aufstand machen" - Weil es nicht der erste Versuch ist... Irgendwelches baltisches Land hat es z. B. vor Jahren vorgeschlagen, ein paar Denkmaeler fuer die Veteranen des Zweiten Weltkrieges zu machen, die auf Seite Deutschlands gekaempft haben. Wenn ich so was hoere, fuehle ich mich persoenlich beleidigt. In Russland gibt es praktisch keine Familie, deren Mitglieder gegen Nazis nicht gekaempft haben... Meine ist keine Ausnahme. Der Krieg kostete Millionen das Leben und noch mehrern - das Glueck und Gesundheit. Sollen wir jetzt alles das VERGESSEN? Nazis rehabilitieren - denn sie auch starben an Kaelte und Hunger, wurden auch getoetet? Verzeihen - denn es schon lange her ist? Ich koennte es wahrscheinlich nicht machen.

"was juckt es die Eiche, wenn sich die Sau an ihr reibt. ;-)" - Eine rein sprachliche Frage: Ist es eine Redewendung? In Russland sagt man "Der Hund bellt -die Karawane geht weiter". :)

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Ja, es ist eine feststehende Redewendung
und meint das gleiche wie der schöne Spruch mit den Hunden und der Karawane.

Tatsächlich kann ich Ihre Empörung verstehen angesichts von Versuchen, irgendwelche Leute zu rehabilitieren, die an der Seite der Nazis gekämpft haben.

Dieser Zusammenhang ging für mich aber aus der Denkmalgeschichte da oben nicht klar hervor. Und tatsächlich haben Sie mich damit jetzt an dem Punkt, wo ich weinend zusammenbreche und sage, ich habe alles falsch gesehen, verzeihen Sie mir. ;-)

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Schoen, danke.
"Und tatsächlich haben Sie mich damit jetzt an dem Punkt, wo ich weinend zusammenbreche und sage, ich habe alles falsch gesehen, verzeihen Sie mir. ;-)" - Wow, so weit wollte ich die Sache gar nicht fuehren. :) Ich vermute, Sie sagen es mir nur um nicht noch mal das Ganze lesen zu muessen!.. :) Aber gut, lassen wir es so. Das Denkmal bleibt zum Glueck auf seinem Platz stehen...

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Na, was habe ich nur gesagt... In Riga findet Demonstration "Waffen-SS" statt... Verstehen Sie jetzt den Zusammenhang?

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